Das Projekt „Ferien vom Krieg“ des stja kümmert sich um Kinder aus Partnerstadt Winnyzja
Das Leid, das der Krieg, mit dem Russland seit nunmehr zwei Jahren die Ukraine überzieht, für die Menschen bringt, ist für uns alle wohl schier unvorstellbar. Dass Kinder und Jugendliche davon in besonderer Weise betroffen sind, zeigen uns die medialen Bilder. Insbesondere das macht uns wütend und gibt auch uns ein Gefühl der Hilflosigkeit. Beim Akt der Unterzeichnung der Städtepartnerschaft hat der Oberbürgermeister Winnyzjas unseren OB, Frank Mentrup, eindringlich darum gebeten, „für Kinder, deren Eltern starben, vermisst oder verletzt wurden, als sie die Grenzen der Ukraine vor russischen Invasoren verteidigten, eine kleine, unbeschwerte Auszeit in einer friedlichen Umgebung“ zu ermöglichen.
Alles zu tun, um dieser Bitte nachzukommen, war für OB Mentrup selbstverständlich. Dass die Stadt Karlsruhe für solch ein Projekt gleich an den stja denkt, spricht für den guten Namen, der mit unserer pädagogischen Arbeit in Karlsruhe verbunden wird. Eine Arbeitsgruppe (unter anderen Jfbw und stja international) wurde berufen, um in kürzester Zeit alle planerischen und organisatorischen Fragen zu definieren und Schritt für Schritt umzusetzen. Ein pädagogisches Team zur Programmgestaltung und Betreuung der Kinder aus Winnyzja konnte aus den Reihen des Teamer*innen-Pools des JFBW gewonnen werden, bestens ergänzt durch Rainer aus der Weißen Rose. Absprachen via Teams mit der Sozialverwaltung in Winnyzja fanden in Kooperation mit den Kolleginnen des Hauptamts statt, die auch die Finanzierung des Projekts sicherten.
Nachdem die Rahmenbedingungen feststanden, war klar: 32 Kinder werden, begleitet von drei Lehrerinnen, einer Krankschwester und zwei Busfahrern, vom 9. bis zum 19. Oktober 2023 unsere Gäste sein. Auch die Orte (Jugendherberge Karlsruhe und JFBS Baerenthal) und das Programm konnten detailliert geplant werden. Ein hohes Maß an Unsicherheit ergab sich noch bei der Frage, in welchem psychischen Zustand die Kinder sich denn befinden, und wie wir aufmerksam und sensibel damit umgehen können. Eine hilfreiche Orientierung dafür erhielten wir durch einen fundierten, fachlichen Input von zwei Mitarbeitenden des Psychosozialen Dienstes der Stadt Karlsruhe zum Thema „Umgang mit posttraumatischen Belastungsstörungen“.
Mit einem Kurzaufenthalt in Karlsruhe startete das spannende Projekt: neben einem Aufenthalt im Lernfreundehaus und dem offiziellen Empfang im Karlsruher Rathaus gab es Sightseeing zu Fuß und per ÖPNV und einen Abend in der Weißen Rose mit einem Zauberer als Überraschungsgast. Dann ging’s auch schon ab nach Baerenthal, wo im Herzen des Nationalparks Nordvogesen pädagogische, kreative und sportliche Aktivitäten und zwei Ausflüge auf dem Programm standen. Dazu gehörte auch ein eintägiger Zirkusworkshop mit Abschlussshow, angeleitet von Zirkusteamer*innen aus dem Otto D. Aber für die Kinder auch ein Ort mit freier Zeit, um zur Ruhe zu kommen ohne Lärm und Leben einer Stadt.
Prall gefüllte zehn Tage, die sowohl bei den Kindern aus Winnyzja als auch beim ehrenamtlichen Betreuungsteam des JFBW plus Rainer und den weiteren Unterstützer*innen viele Eindrücke hinterlassen haben. Allerdings gab es auch große Herausforderungen für das Team Karlsruhe, die nicht unerwähnt bleiben sollen: bei einem der Kinder wurden im Laufe des Aufenthalts Anzeichen einer starken psychischen Belastung sichtbar, die durch Aufmerksamkeit unserer Teamer und deren rasches und konsequentes Eingreifen aufgefangen werden konnte. Die Situation wurde durch die beiden Teams aus Karlsruhe und Winnyzja reflektiert, dabei unterstützt und begleitet von Irene Kiefer und Jack Herbst. Dadurch nahm man einerseits einen Weg in den Blick, wie das Projekt zu einem guten Ende gebracht werden kann, hielt man aber andererseits für das Team ausdrücklich die Option offen das Projekt auch abzubrechen, falls das Risiko in ihrer Einschätzung zu groß werden sollte.
Wie sieht nun die fachliche Bewertung dieses Projekts aus? In der Abschlussreflexion mit einigem Abstand sprachen sich alle Beteiligten dafür aus, eine derartige humanitäre Maßnahme für Kinder aus der Ukraine auch zukünftig erneut möglich zu machen. Allerdings ist es dazu zwingend erforderlich, dass die „Standards des jfbw“ bezüglich der spezifischen Informationen zu den Kindern eingehalten werden. Zusätzlich müssen sich die Teams aus Karlsruhe und Winnyzja bereits vorab kennenlernen und sich ausführlich über pädagogische Haltungen und eine verbindliche Absprache zur Aufgabenverteilung während der Maßnahme verständigen. Rundweg positive Reaktionen gab es aus den Rathäusern in Winnyzja und Karlsruhe, verbunden mit großem Dank, dass wir das Projekt so „stadtschuss-like“ wirklich gemacht haben: realitätsbezogen, professionell und mit einer positiven Grundhaltung.